Farbpsychologie ist in den meisten Fällen Schlangenöl

Es ist kein Geheimnis, dass die Farbpsychologie in der Geschäftswelt eine große Rolle spielt. Sollte man es jedoch übertreiben, und alles auf die Farben ankommen lassen? Und was ist Schlangenöl und?

Hier sind einige Gedanken und Erfahrungen, die Jörg Dennis Krüger in dieser Folge anspricht.

TRANSKRIPTION DIESER FOLGE DES PODCASTS

Hallo, mein Name ist Jörg Dennis Krüger, und ja, wie mein IT-Techniker am Empfang schon gesagt hat:

Ich bin der Conversion Hacker. Herzlich willkommen zur neuen Ausgabe von „Conversion Hacker Podcast“. 

Heute mit dem Thema Farben und Farbpsychologie. 

Ich bin ein großer Fan, wie auch Skeptiker von Psychologie im Online-Marketing, Psychologie im Marketing, denn Psychologie hat ein paar Probleme. Psychologie ist unter anderem ganz häufig gar nicht so reproduzierbar, also psychologische Studien. Und meistens sind die Faktoren, die das Verhalten von Menschen verändern, wahnsinnig kompliziert. Sodass Dinge, die man in einem Umfeld feststellt, die dann auf psychologische Faktoren zurückgeführt werden, in einem anderen Umfeld auf einmal überhaupt nicht oder ganz anders funktionieren. Psychologie kennt dieses „Wenn – Dann“, was wir eigentlich gerne immer haben, nicht. Also wenn etwas rot ist, dann macht der Nutzer das. 

Und das ist dann auch schon ein Übergang von Psychologie zur Farbe, denn die psychologischen Komponenten, die Farben zugeschrieben werden, sind halt sehr oberflächlich, in vielen Fällen. Rot ist eine Warnfarbe. Ja, aber rot ist gleichzeitig auch die Farbe der Liebe, und Rot ist die Farbe, wo wir Rabatte mit gelernt haben, zu verbinden und so was. Was ist also rot aus psychologischer Sicht für eine Farbe? Was passiert beim Menschen im Kopf, wenn er etwas Rotes sieht? 

Aus meiner Sicht nicht so furchtbar viel, außer dass Rot halt eine Farbe ist, die hervorragend wahrgenommen wird. Deswegen wird sie benutzt als Warnfarbe für „Stopp“, für rote Ampeln, und deswegen hat sie vielleicht auch solch einen Wert für die Liebe, weil sie so wahrgenommen wird. Rot ist unser Blut. Wir sind seit Äonen darauf konditioniert, mit Rot gewisse Dinge zu verbinden, aber heutzutage nicht mehr nur „Warnung und Hilfe“, das geht auf gar keinen Fall! Es gibt genug Firmen mit roten Logos, die sehr erfolgreich unterwegs sind, und dass nicht: „Oh Gott, alle Kunden laufen jetzt weg, weil da etwas Rotes ist“, sondern Farbe benötigt immer Kontext. 

Also, im Kontext kann das Rot wirken, wie etwas, das wahnsinnig positiv ist. Halt, rote Preise in einem Online-Shop wirken positiv, denn sie zeigen mir, dass dieser Preis ein Rabattpreis ist. Also daneben ist der Preis durchgestrichen, dann ist in Rot der Preis daneben geschrieben, und dann weiß ich, aus Erfahrung: „Das ist ein Rabattpreis“ und das springt Leuten ins Auge. Super, da gibt es Rabatte! Das funktioniert meistens viel besser, als einen grünen Preis zu verwenden oder Ähnliches. Und das ist eben so generell dieses Herumeiern „Nee, manche Farben benutze ich lieber nicht, weil damit wird etwas verbunden“. Man muss nun mal immer den Kontext sehen. 

Viele Farben auf einer Seite funktionieren dann auch gut oder funktionieren auch nicht, weil andere Farben vorhanden sind, oder halt auch nicht. Wenn meine Seite insgesamt schon rot ist, beispielsweise, weil ich ein rotes Logo habe, dann sind rote Preise vielleicht nicht so wirksam wie bei einem Shop, der eigentlich andere Farben hat. Und insofern ist das halt genau das Dilemma, was wir aus der Psychologie überall sehen, dass es immer auf den Kontext ankommt. 

Ich werde in einer weiteren Podcast-Episode noch über das „Reproduktions-Problem“ der psychologischen Forschung reden. Denn man hat inzwischen große Probleme, Ergebnisse aus Studien in der Psychologie zu reproduzieren. Also Studien, die in den vergangenen 50 Jahren gemacht wurden und vielleicht sogar länger, die versucht man gerade zu reproduzieren und versucht zu erkennen „Ist das Ergebnis überhaupt etwas, was wieder eintritt, wenn wir die Studie noch einmal ganz genauso machen?“.

Und man merkt immer wieder, „Nee, das tritt nicht wieder ein“. Und man hat in einigen Bereichen festgestellt, dass kleinste Veränderungen am Studiendesign dafür sorgen, dass das Verhalten der Menschen komplett unterschiedlich ist. Weil halt solche psychologischen Faktoren unfassbar, ja kleinteilig, unfassbar sensibel von Menschen wahrgenommen werden. Und dann reichen halt kleinste Veränderungen, damit so ein psychologisches, angebliches Modell, angebliche „Best Practice“ halt funktioniert oder halt auch nicht funktioniert. 

Und gerade in der Psychologie ist dabei auch das Verlassen auf Studien halt nicht so super wirksam. In manchen Bereichen kann man aus psychologischen Dingen einiges lernen. Aber gerade zum Beispiel, wenn es um Farben geht, ist dieses ganze Farbpsychologie-Thema aus meiner Sicht vollkommen nutzlos. Es ist Küchenpsychologie, Küchentischpsychologie, Homöopathie zum Quadrat, das ist keine Ahnung, das funktioniert in den meisten Fällen nicht.

Und das ist auch der Grund, warum eigentlich das ganze Thema Neuromarketing und die ganzen Agenturen und Anbieter, die sich darauf eine ganze Zeit lang konzentriert haben, mittlerweile vom Markt so weit verschwunden ist. Weil es einfach nicht so funktioniert, wie es versprochen wurde, und in vielen Fällen dann doch so eher Schlangenöl ist. 

Schlangenöl? Schlangenöl gibt’s nicht! Schlangenöl ist ein Begriff dafür, dass man Dinge verkauft, die halt nicht funktionieren. So wie im wilden Westen die fahrenden Händler von Dorf zu Dorf, die etwas Unbekanntes verkauft haben gegen Schmerzen oder wie auch immer, für saubere Zähne und so weiter. Letztlich war das einfach nur nichts, und natürlich hat man damit Glück. Das funktioniert entweder durch Zufall, oder durch einen Placebo-Effekt, oder wenn man aus Versehen andere Dinge richtig macht. Wenn ich mir die Zähne mit etwas Unbekanntes putze, dann werde ich weniger Schmerzen oder sauberere Zähne haben, als wenn ich sie gar nicht putze. Also darum, Schlangenöl heißt nicht, dass es überhaupt nicht funktioniert. Das heißt aber, dass, was funktioniert, halt eher Zufall oder Nebeneffekte ist. 

Okay, so „Long Story short“, noch einmal zum Zusammenfassen: wenn es um Farben geht, auf das Umfeld achten. Keine komischen psychologischen Modelle dabei berücksichtigen, sondern schauen, “Passt diese Farbe zu meinem Shop?” “Passt diese Farbe dazu, wie der gesamte Shop gestaltet ist?” “Fällt sie auf oder zieht sie von einem anderen Element Aufmerksamkeit, was viel wichtiger ist, auf der Seite?”

Und vielleicht reden wir auch dann in dem nächsten Podcast Episode mal über das Thema „Aufmerksamkeit“ und „Aufmerksamkeits-Analyse“ für Webseiten. Da gibt es nämlich auch ein paar ganz tolle Tools, mit denen man erkennen kann, welche Elemente einer Seite wahrscheinlich viel Aufmerksamkeit ziehen und welche nicht. Und dann kann man auch über Farbe die Aufmerksamkeit steuern. Aber auch hier geht es dann um Unterschiede und nicht um absolute Farben.

Also ich hoffe, das hat dir ein wenig weitergeholfen, schreib mir dein Feedback an jdk@jdk.de und hinterlasst gerne einen Kommentar bei Apple Podcasts oder bewerte und abonniere den Podcast bei Apple und Spotify. Wenn du Feedback hast, wie zuvor erwähnt, jdk@jdk.de.

Ich freue mich darauf. Also bis zur nächsten Ausgabe. Dein Dennis Krüger.

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